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Es werden Posts vom 2016 angezeigt.

Rotweinflecken

V or Helene lag eine Zigarette im Aschenbecher und qualmte. Sie nahm sie umständlich zwischen Zeige- und Mittelfinger und zitterte damit zum Mund. Sie inhalierte zu schnell einen tiefen, langen Zug. Beim Ausatmen vermischte sich ihr Schluchzen mit einem Husten. Fünf Jahre hatte sie nicht mehr geraucht. Sie drückte die nicht halb gerauchte Zigarette mit fahrigen Bewegungen aus. Dabei brach sie in der Mitte auseinander. Mit dem Handrücken verwischte sie ihren Kajal. Sie schenkte sich Rotwein nach. Sie hatte keine Ahnung von Wein. Es war eine billige Flasche vom Discounter. Sie leerte den Zahnputzbecher in einem Zug. Dann warf Helene ihn an die Wand. Reste des Weins rannen die weiße Wand hinunter. Die Flecken würden ewig halten. Helene sah es nicht. Sie hatte den Kopf auf die Arme gelegt und schluchzte in die Platte des Campingtisches, bis keine Tränen mehr kamen.  Sie setzte die Flasche an die Lippen und trank in großen Schlucken. Es war die dritte heute, doch der Schmerz blieb.

Der verletzte Fuß

Ich war eigentlich immer ganz glücklich, dass Zwergnase ein sehr vorsichtiges Kind war. Irgendwann ging dieses durchaus vorteilhafte Verhalten jedoch flöten. Spätestens als Zwergnase versuchte, die Rutsche mit seinem Laufrad hinunter zu fahren, musste ich mir eingestehen, dass ich nicht mehr von meinem umsichtigen  Kind sprechen sollte. Mir war klar, dass wir früher oder später in der Notaufnahme landen und Zwergnase 1001 Stunts für Kleinkinder  verfassen würde. Es war ein Sonntagabend, an dem der erste wirkliche Unfall passierte. Zwergnase lief wie wild durch die Wohnung. Es war dieses Stadium, in dem das Kind die letzte Energie verballert, um dann einfach umzufallen. Dieses Stadium, in dem du hoffst, dass vor dem Zubettgehen nichts mehr passiert. Und natürlich war es unvermeidlich: Zuerst ein Rumpeln, dann ein Schreien. Zwergnase war gestolpert und umgeknickt, sein Bettrahmen bremste den Sturz mit der Sensibilität einer Gebirgswand. Die Tränen flossen und herzzerreißende Schluchzer

Depp der Woche: Auf dem Supermarktparklatz

Die Welt ist schlimm genug. Mord und Totschlag beherrschen die Nachrichten und zur Not gibt es irgendwo auf der Welt sicher eine Naturkatastrophe, die Elend über eine ganze Region bringt. Da müsste man doch meinen, dass man es sich im Alltag nicht schwerer als nötig machen müsste. Dass man sich darüber freuen könnte, dass die Sonne scheint und man gesund und munter in einer friedlichen Kleinstadt leben darf. Jeden Tag danke ich dem Herrgott, dass er es doch recht gut mit mir gemeint hat. Andere scheinen mit ihrem Los, ihr Leben in Deggendorf fristen zu müssen, nicht so glücklich zu sein. Die armen Seelen. Vielleicht haben sie aber auch mangels echter Probleme Spaß daran, sich bei ihren Mitmenschen als Bewahrer der deutschen Tugenden aufzuspielen. Fünfe mal gerade sein lassen? Keine Chance. Das Traurige ist, dass es jeden Tag einen Deppen gibt, der dir deine eigentlich gute Laune versauen kann. Meinen Deppen der Woche traf ich auf dem Supermarktparkplatz. Ich hatte den Einkauf g

Der blutige Hochzeitstag

Eigentlich wollte ich dieses Mal die Schnulze auspacken. Mein Mann und ich hatten diese Woche Hochzeitstag. Kein runder, kein besonderer, ein stinknormaler Hochzeitstag eben. Ich muss sagen, mir ist der Hochzeitstag gar nicht so wichtig. Wir sind sehr viel länger ein Paar als wir verheiratet sind und sind trotzdem noch total vernarrt ineinander. Wenn mich jemand fragen würde, ob ich mich in 50 Jahren mit ihm Händchen haltend auf einer Parkbank sehen würde, dann bekäme er von mir ein klares Ja. Trotz kleiner und größerer Streits passt es einfach, wir sind füreinander gemacht. Nun, um ihm meine Liebe zu beweisen, hätte ich ihm einen ganzen Blogpost gewidmet. Aber erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. Wir haben unseren Hochzeitstag dieses Jahr gefeiert, indem wir uns nur kurz gesehen haben. Ich musste morgens in die Arbeit und als ich nach Hause kam, stand er schon in den Startlöchern, um seinerseits zur Arbeit zu fahren. Er würde erst so spät nach Hause kommen, dass wir

Der dritte Stock

D er Kühlschrank war leer. Das Brot war hart. Gab es denn nichts Essbares mehr in dieser Wohnung? Nein. Harald blieb nichts anderes übrig. Er musste einkaufen gehen. Das war angesichts seines Alters gar nicht so leicht. Beim Treppensteigen schmerzten ihn die Knie, die Bushaltestelle war so weit weg wie der Mond. Er vermisste die kleinen Tante-Emma-Läden. Man brauchte sich überhaupt keine Gedanken machen, welche Marke man nahm. Es gab sowieso nur eine. Da war man mit dem Einkauf noch schnell fertig gewesen! Heute musste er durch endlos lange Gänge humpeln, musste sich nach den bezahlbaren Artikeln strecken oder Bücken, sodass seine Bandscheiben Tango tanzten. Missmutig öffnete er seine Tür. Drei Stockwerke musste er seinen Knien nun zumuten. Der Vermieter hätte ihm einen Treppenlift eingebaut. Aber da war Harald noch rüstig gewesen! Ohne Stock und Rentner-Mercedes. "Eine Unverschämtheit!", hatte er den Vermieter angebrüllt und ihm die Tür vor der Nase zugeschlagen. Dass

Zoomania

Es ist Feiertag. Und schönes Wetter. An solchen Tagen bist du geradezu verpflichtet, etwas mit Kind und Kegel zu unternehmen. Da es gerade nicht warm genug fürs Schwimmbad ist, ist der Zoo die einzig wahre Alternative. Ansonsten kann man wirklich gar nichts unternehmen, wie der Mangel an Parkplätzen beweist. Wie der Zoologe weiß, fängt der frühe Wurm den Vogel - oder so ähnlich. Der Rucksack wird also schon am Vorabend gepackt, damit man zeitig zum ersten Programmpunkt am Parkplatz steht: Das Wettaufklappen der Buggys. In der Schlange an der Kasse bleibt genug Zeit, um die Konkurrenz zu begutachten - mit ihren Jack-Wolfskin- und Engelbert-Strauss-Outdoor-Softshell-Jacken, extra für Familienausflüge angeschafft. Da haben wir eindeutig Nachholbedarf. Erstmal drinnen stellt man fest, dass der Buggy für die Katz ist. Kinder rennen quer durcheinander, kleben ihre Nasen an Aquarien- und Terrarienscheiben und es würde mich nicht wundern, wenn am Ende des Tages ein paar Kinder durchgetauscht

Kurhotel des Grauens - Folge 1

Nichts ahnend macht sich die Familie auf dem Weg in die Kurklinik. Das Wetter ist durchwachsen. Man kann die Sonne hinter den grauen Wolken nur erahnen. Der kalte Ostwind lässt sie schon auf dem Weg zum Auto frösteln. Rasch zieht sie ihre Jacke enger um den Körper. Die Fahrt verläuft fröhlich. Aus dem Radio tönen Kinderlieder, die eifrig mitgesungen werden. Dass der Himmel sich immer mehr verdunkelt und bedrohlich über der Bergkette hängt, sehen sie nicht.

Gelernt ist eben gelernt

Es gibt so einige Berufe, in denen könnte ich nicht arbeiten. Es liegt in der Regel nicht an dem notwendigen Know-how, das kann man sich aneignen. Vielmehr fehlt mir die innere Moral. Die grundsätzliche Arbeitshaltung. Wirklich abwegig wäre für mich die Arbeit im Krankenhaus. Sowohl als Arzt oder Krankenschwester wäre ich völlig ungeeignet, weil man mir nur mit Worten ausmalen braucht, wie das Blut spritzt, damit ich in Ohnmacht falle. Aber ein Krankenhaus hat ja noch mehr Berufsfelder zu bieten. Es braucht zum Beispiel Reinigungskräfte. Auch diesen Job würde ich wohl mehr schlecht als recht erfüllen. Nicht, weil es mir vor Blut, Fäkalien und was weiß ich grausen würde, nein, dafür gibt es schließlich Handschuhe.  Mir fehlt das Selbstbewusstsein, ständig unter den Augen fremder Leute zu arbeiten, die mir dann auch noch sagen wollen, was ich zu tun habe, obwohl sie von der Materie absolut keine Ahnung haben. Erst als ich neulich im Krankenhaus zu Besuch war, habe ich da

Mein Leben als Spaßbremse

Du wünscht dir ein Kind. Du willst es anhimmeln, verwöhnen. Du willst für das Kind der wichtigste Mensch im Leben sein. Sieht man von der Babykotze, den Stinkewindeln und den durchwachten Nächten einmal ab, ist es auch genauso. Fasziniert verfolgst du die Entwicklung deines Sprosses. Das erste Lächeln, die ersten Schritte, die ersten Worte. Du würdest wirklich alles für dein Kind tun. Wirklich alles? Nein. Denn so sehr du auch in dein Kind verliebt bist, irgendwann beginnt es unweigerlich ein Verhalten an den Tag zu legen, das gesellschaftlich nicht akzeptiert ist. Es schreit vor Wut, wirft Dinge durch die Gegend oder sich selbst auf den Boden. Manchmal schafft es auch alle drei Dinge auf einmal. Das ist der Zeitpunkt, an dem du dein Kind nicht mehr uneingeschränkt anhimmeln darfst. Es ist der Zeitpunkt, an dem spätestens von dir erwartet wird, dein Kind zu sozialisieren. Gemeinhin sagt man dazu auch Erziehung. Glaube ja nicht, dass du dich dabei auf irgendwen als dich selbst v

Valentinstag

C hristian legte Jacke und Schuhe ab und ging ins Wohnzimmer. Schweigend beobachtete er Sybille, wie sie am Boden saß und mit ihren beiden Töchtern spielte. Das Haar, das einst seidig geglänzt hatte und immer sorgfältig frisiert gewesen war, hing ihr strähnig auf die Schultern. Diese wiederum steckten in einer rosafarbenen Nicki-Jacke, passend zu den Schweinchen-Jogginghosen. Dabei hatte Sybille sich ihre Figur trotz der beiden Schwangerschaften bewahrt, sie war sogar schlanker als vorher. Doch die knallengen Jeans und die eng anliegenden Tops waren spurlos verschwunden. Freilich hatte sie auch schon vorher Gammelklamotten getragen. Aber sogar diese wusste sie mit Stil zu tragen. Als hätte sie seinen Blick gespürt, drehte Sybille sich zu ihm um. „Gut, dass du endlich da bist. Der Müll muss noch raus, im Kleiderschrank ist eine Schraube locker und Leo muss auch noch seine Runde drehen!“ Leo. Leo war eine Ratte. Nein, eigentlich war Leo ein kleiner Terrier, der angeschafft worden wa

Kinderfasching - Nur der Stärkste überlebt

Zugegeben, ich bin eher ein Faschingsmuffel. Wenn ich die Anweisung "Aber im Kostüm!" höre, macht sich eine innere Abwehrhaltung in mir breit. Aber als Mutter muss man eben auch über seinen Schatten springen und eigene Vorlieben hinten anstellen. Man will ja seinem Kind nichts vorenthalten, was irgendwie zur Kultur gehören könnte. Also wird ein Bärenkostüm für das Alter von 3-5 Jahren gekauft, das Zwergnase, 2 Jahre, gerade so passt. Mama wird zum Marienkäfer. Doch wer dachte, dass es bei einem Kinderfasching lustig zugeht, der irrt gewaltig! Einlass ab 13.00 Uhr, Beginn 14.00 Uhr. Übersetzung. Du hast mindestens um 12 Uhr einen Verbündeten zu schicken, der sicherheitshalber 20 Plätze belegt - ohne Handtücher. Reservierung 2.0. Wenn du dort nämlich um 14 Uhr aufkreuzt, ist die Party bereits gelaufen. Du hast Glück, wenn du dich irgendwo noch unter vernichtenden Blicken dazu zwicken kannst. Die Bedienung ignoriert dich gekonnt, bis du ihr ein Bein stellst. Auf meinen Kaffee wa